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tja: Mister Franklin, Sie sind für Ihre Mitarbeit an der amerikanischen Verfassung in die Weltgeschichte eingegangen. Die Nähe zum Bürgertum kommt in vielen ihrer Aktivitäten zum Ausdruck.
tja: Auf wissenschaftlichen Gebieten waren Sie ebenfalls unterwegs und das ohne akademisches Studium ...
Franklin: Ich habe viel gelesen, eigentlich alles, was es zu meiner Zeit gab. Dazu kam das Interesse an den Bedürfnissen der Menschen. Wenn man das alles zusammenbringt, kommt ein lebhafter Mix von diversen Studiengängen heraus. Man kann dies auch als ganzheitlich-universelles Studium am Leben verstehen.
tja: Wie erklären Sie sich Ihre tiefsitzenden Ambitionen zum Allgemeinwohl?
Franklin: Das hat was mit einem unverbogenen Charakterzug zu tun, der nicht von einem Parteiprogramm oder einer staatlich gesteuerten Linie beeinflusst wurde ... sich nicht beeinflussen lassen wollte. Nach diesen Prinzipien bin ich im Elternhaus erzogen worden. Generell war wohl die Wissbegierde die Haupttriebfeder.
tja: Ihre Wissbegierde führte dazu, sich als Drucker ausbilden zu lassen?
Franklin: Ja, die Techniken der Verbreitung von Wissen faszinierten mich. Drucker zu sein bedeutete damals, auch gleichzeitig als Verleger agieren zu können. Die Medienvielfalt gab es ja zu meiner Zeit nicht, so hatte ein unabhängiger Drucker die Fäden in der Hand, vom handwerklichen Know-how, über das technische Equipment bis zum Vertrieb der Druckwerke.
tja: Sie haben dann auf dieser Grundlage ein Nachrichtenblatt herausgebracht, das informativ und gleichzeitig unterhaltsam sein sollte.
Franklin: Ja, die ‚Pennsylvanis Gazette‘, ein Blatt, das Nachrichten mit Unterhaltung und handfesten Informationen verknüpfte.
Zuvor aber hatte ich mit einigen Leuten die Gruppe namens ‚Junto‘ gegründet, diese verfolgte den Gedanken der Aufklärung. Die Gazette war folglich ein zwingender Effekt dieser Vereinigung.
tja: In Europa gab es Parallelen zu der Aufklärungs-Philosophie. König Friedrich der Große versuchte ebenfalls, gemeinsam mit einigen europäischen und russischen Fürsten, eine Bewegung unter dem Begriff ‚Aufgeklärter Absolutismus‘ gesellschaftlich zu positionieren.
Franklin: Ein kleiner Einwand vorweg: Philosophie ist nicht ganz der passende Ausdruck für unsere Vorhaben, denn wir wollten reale Ergebnisse erzielen, nach dem Motto: Gut gemacht ist besser als leidenschaftlich philosophiert. Aber ja, der Alte Fritz hatte Ähnliches vor ... leider habe ich ihn nie kennengelernt.
tja: Sie wurden auch Herausgeber des anonym publizierten ‚Poor Richards Almanack‘, das mit lebensnaher Philosophie und Ratschlägen für den Alltag zu einem sehr beliebten Jahrbuch avancierte.
Franklin: Die Sammlung zu verschiedenen Gesellschaftsthemen hatten das Ziel, dem Bürgertum hilfreich zur Seite zu stehen.
tja: Sie empfanden es als Ihre Aufgabe, Aufklärung zu betreiben. Welche Motivation hatten Sie?
Franklin: Betrachten Sie Ihre Zeit. Glauben Sie, dass das Volk lupenreine, neutrale Informationen zu den politischen, kulturel-len und wirtschaftlichen Entwicklungen, Geschehnissen und Absichten erhält?
tja: Ganz bestimmt nicht.
Franklin: Daraus wuchs meine Motivation. Wissen Sie, die Absichten der so genannten Eliten haben sich zu keiner Zeit geändert, sie wollen Ihre Interessen durch-drücken, entweder mit Desinformation oder Verbergen, Unterlassen von Information.
Meine Mitstreiter und ich hatten es, im Vergleich zu der Medienvielfalt im einund-zwanzigsten Jahrhundert – die aber in den Händen nur weniger Konzerne liegt –, etwas einfacher. Wir konnten gegenhalten, unsere Druckwerke wurden aufmerksam gelesen ...
tja: ... was heutzutage gar nicht möglich ist, alles zu lesen, zu sehen oder zu hören ...
Franklin: Was früher galt, gilt auch heute: Wer über die Medien herrscht, kann Meinungen machen.
tja: Sie haben das Stichwort ‚Aufklärung‘ erwähnt. Welche aufklärerischen Wege würden Sie als Gegenpol zur Massenbeeinflussung in der heutigen Zeit gehen?
Franklin: Das ist schwer zu formulieren, weil ich Ihre neuartigen Technologien und Methoden der Informationsvermittlung und -verbreitung nur erahnen kann.
Ein immer gutes Rezept ist: Sich in die Lage der Gegenseite versetzen. Was würde eine Gruppe machen, die die finanzielle und die personenbezogene Macht hat, Botschaften weltweit zu streuen und zwar so, dass sie für die Masse glaubwürdig erscheinen? Aus der Perspektive der anderen Seite ergeben sich meist die erforderlichen Schritte.
tja: Die Wenigsten haben die Möglichkeit, sich zum Beispiel in Medien neutral einzubinden oder einzukaufen ...
Franklin: ... und möglichst viele Multiplika-toren auf ihre Seite zu ziehen, aus Regie-rungen, aus Forschungsinstituten, aus dem Bildungsbereich, aus der Wissenschaft, aus Verbänden und so fort. Das dabei verschie-dene Freundschaftsdienste eine Rolle spielen, aber auch Druckmittel eingesetzt werden, liegt im Bereich des Denkbaren.
Diese Stufe der Strategie griffe schon wirkungsvoll, wäre aber dennoch zu simply. Aus taktischen Gründen würde die Gruppe Opinion Leader der Medienlandschaft mit einbeziehen, die zunächst den gegenteiligen Standpunkt verträten, damit der Eindruck entsteht, es stünden kritische Kräfte im Raum. Später können diese dann relativiert werden.
tja: Hinter diese Netzwerke blicken zu wollen, ist bei den strukturellen Verpflechtungen fast eine Lebensaufgabe.
Franklin: Das ist leider die Folge Ihrer Technologie ... wer diese im Hintergrund dirigieren kann, hat die Befehlsgewalt.
Doch es liegt ein weiteres Feld außerhalb der öffentlich sichtbaren Medien. Bedenken Sie, wer die schulische Bildung am Zügel hält, kann das Denken und das Handeln künftiger Generationen in seinem Sinne leiten. Mein ungefragter Rat: Die Eltern sollen sich mehr um ihre Kinder kümmern und die Erziehung keinem politischen Organ überlassen.
tja: Was aber erfordert, dass Eltern über eine angemessene Analyse- und Kritikfähigkeit verfügen müssten.
Franklin: Sehr wohl. Wie ich schon sagte, ist Persönlichkeitsbildung ein Aspekt des Charakters. Ein wahrhaft großer Mann wird niemals ein Wurm zertreten noch vor dem Kaiser kriechen.
Wir haben es früher nicht erreicht, dass alle Menschen mit Ehre und Anstand handeln. Es ist eine Illusion, das jemals erreichen zu können. Die irdischen Verlockungen und das persönliche Geltungsbedürfnis sind leider Schwächen, die eine geschickt agierende Organisation für sich nutzen wird. Da Ihnen dieses Instrumentarium vermutlich fehlt, bleibt Ihnen also nur, die Karte der Überzeugungsarbeit zu spielen.
tja: Mister Fanklin, Sie sind das Paradebeispiel dafür, dass man auch ohne akademische Laufbahn zu Ehren kommen kann. Sie wurden für Ihre wissenschaftlichen Leistungen mit der Ehrendoktorwürde zweier Universitäten und mit Titeln mehrerer Institutionen geehrt.
Franklin: Das war nicht zu vermeiden, irgendwann entstand ein Sog. Das Wertvollste war mir jedoch immer das echte, das ehrliche Engagement.
tja: Nun ja, heute bekommt man hierzulande schon das Bundesverdienstkreuz, wenn man im Dienste der Staatsmeinung einen regelmäßigen Podcast publiziert.
Franklin: Podcast?
tja: Sorry, das ist ein Kunstwort der Jetztzeit. ‚Pod‘ steht für ‚play on demand‘ und ‚cast‘ ist der zweite Teil von ‚Broadcast‘, also eine Sendeform, die es im achtzehnten Jahrhundert noch nicht gab.
Franklin: Ich nehme an, dass die Bedienung dieser Technologie ein strategisches Instrument darstellt.
tja: So ist es auch aus unserer Sicht: schnell und leicht konsumierbar.
Franklin: In dem Punkt der Konsumierbarkeit hat sich demnach nur die Anwendung der Techniken geändert.
tja: Mister Franklin, Besten Dank für das Gespräch. Können Sie uns und unseren Leserö* zum Abschluss einen Rat geben?
Franklin: Bleiben Sie dran an der Aufklärungsarbeit, bleiben sie mutig und trotzen Sie den anscheinend übermächtigen Gewalten. Auch mit kleinen Hieben kann man große Bäume fällen.